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Rede zum Doppelhaushalt 2018/2019

Aktion vor der Ratssitzung
Aktion vor der Ratssitzung

Nachfolgend die komplette Haushaltsrede von Felix Haltt zur Ratssitzung am 14.12.2017:

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

Wunder gibt es immer wieder. Das dachte sich offenbar kurz vor den abschließenden Haushaltsberatungen auch der SPD-Unterbezirksvorsitzende Karsten Rudolph. Mit geradezu missionarischen Eifer machte er sich ans Werk, einen neuen Heiligen zu küren. Den Heiligen Thomas von Bochum. Den Schutzheiligen wider Grundsteuererhöhungen. Denn zum dritten Mal in Folge habe der OB vermieden, so verkündete es sein Chronist Rudolph bei Facebook, dass die Bochumerinnen und Bochumer mehr Grundsteuer zahlen müssen. Belegen konnte er das Wunder freilich nicht, aber was sind schon Fakten, wenn man stark im Glauben ist. Tatsächlich wurde die drohende Haushaltslücke von 20 Millionen Euro durch höhere Schlüsselzuweisungen des Landes, eine sinkende Umlage an den Landschaftsverband Westfalen-Lippe und höhere Zuweisungen aus dem Unterhaltsvorschussgesetz geschlossen. Ein Verdienst des OB war dies nicht. So ist der Schutzheilige doch eher dem Wortsinne ein Schein-Heiliger, denn es scheint nur so, als hätte er die guten Taten vollbracht.

 

Doch Taten müssen in der Lage, in der sich die Stadt Bochum befindet, folgen. Zweifellos muss man sich dann auch um die Personalsituation kümmern. Vor einer Woche erklärte der OB gemeinsam mit der Stadtkämmererin daher, dass 200 Stellen mittelfristig wegfallen sollen, um den Haushaltsausgleich im Jahr 2022 zu schaffen. Doch scheinbar muss es in Bochum erst mal schlimmer werden, bevor es dann irgendwann mal besser wird. So ist im laufenden Haushaltsjahr die Stellenzahl noch mal gewachsen. Da, obwohl mehrfach von uns angemahnt, immer noch kein Personalentwicklungskonzept scharf geschaltet wurde, schauen sich alle Beteiligte nur fragend an und zucken mit den Schultern. Und noch etwas fällt auf: während andere Bereiche Stellen einsparen sollen und schon jetzt überlastet sind, baut der OB seinen persönlichen Stab weiter aus. Wasser predigen, sich aber selber zumindest einen Schluck Wein gönnen. Das sorgt auch für berechtigtes Magengrummeln an nachgeordneten Stellen innerhalb der Verwaltung. Aber irgendwer muss die wundersamen Taten ja vorbereiten, damit man dann frohe Kunde verbreiten kann, die schließlich zur Wiederwahl 2020 führen sollen. 

 

An diesem Punkt lohnt es, sich die geplanten Taten einmal genauer anzuschauen, so wie sie der OB auf dem diesjährigen Jahrestreff bekannt machte. Vier Beispiele:

 

1. Da wurde eine Markthalle für Bochum in Aussicht gestellt. Das scheint nicht nur eine gute Idee zu sein, das ist sogar eine gute Idee. Doch es ist keine Idee des OB. Vielmehr haben sich andere schon seit Jahren für diese Idee stark gemacht. Die Bürgerkonferenz hat nur noch mal unterstrichen, wie populär die Idee in der Bevölkerung ist. FDP-Urgestein Hans-Otto Forth betonte bereits 2006, dass die Idee einer Markthalle so alt wie Methusalem ist.

 

2. Da wurde der Neubau der Obdachlosenstelle angekündigt. Das scheint nicht nur eine gute Idee zu sein, das ist vielmehr eine notwendige Idee. Doch die Erkenntnis, dass eine Sanierung überfällig ist, stammt nicht vom OB. Vielmehr hat die Fraktion "FDP & DIE STADTGESTALTER" nach einer Besichtigung des Fliednerhauses den erbärmlichen Zustand in die politischen Gremien eingebracht.

 

3. Da wurde ein 1.000-Bänke-Programm nach dem Prinzip "aus eins mach zwei" präsentiert. Das scheint nicht nur eine gute Idee zu sein, das ist sogar mit einem sehr guten Prinzip verbunden. Doch auch das Konzept, dass die Stadt zu einer bürgerschaftlichen Spende etwas dazu zu tun, hat nicht der OB eingebracht. Vielmehr haben wir dies im Juli 2016 für Spielplätze gefordert. Doch waren wir dabei ambitionierter. Für jeden Spenden-Euro sollte die Stadt zwei Euro drauflegen.

 

4. Da wurde ein JugendDIALOG vorgestellt. Das scheint nicht nur eine gute Idee zu sein, das ist sogar eine begrüßenswerte Idee. Doch auch die Jugendbeteiligung hat nicht der OB erstmalig auf die Agenda gesetzt. Vielmehr sind wir immer wieder initiativ geworden, um junge Menschen stärker in die Entwicklung unserer Stadt einzubringen. Das fing mit dem Vorschlag eines Kinder- und Jugendparlaments an, ging über die Idee von Schülerhaushalten und reichte bis zu repräsentativen Jugendbefragungen. Der OB bleibt mit seinem Dialog weit hinter unseren Vorstellungen einer echten Jugendbeteiligung. 

 

Die Liste ließe sich noch fortsetzen, doch will ich lieber auf ein Kernthema kommen, das der OB auf dem Jahrestreff thematisierte: die soziale Stadt und die Neuausrichtung als Ermöglicherstadt. 

 

Wie sieht da die Realität aus? Das wird an einer Kennzahl im Haushalt besonders deutlich. Der Anteil der Transferaufwendungen, also im Kern die Sozialleistungen, welche die Stadt zu stemmen hat, soll im nächsten Jahr 46,1 % der ordentlichen Aufwendungen betragen. 2012 lag der Anteil bei noch 41,4 %. Dieser Batzen wird sogar weiter wachsen. "Die Anzahl derer, die durch Erwerbseinkommen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern erwirtschaften, wird langfristig schrumpfen; der Anteil derer, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, wird steigen", heißt es im Haushaltsentwurf. Immer weniger Schultern müssen einen immer größeren Transferaufwand tragen. Geht die Entwicklungen also wie in den letzten Jahren weiter, werden irgendwann mehr als 50 % der ordentlicher Aufwendungen Transferaufwendungen sein,

 

Das ist ein Haushaltsproblem, aber vor allem ist es ein Alarmzeichen, dass viele Menschen in Bochum schlechte Zukunftschancen haben und auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Lösungen können da nicht nur haushalterisch (buchhalterisch) sein. 

 

So richtig es ist, immer wieder an die Verantwortung von Land und Bund zu appellieren, Kommunen bei den Sozialkosten, wie zum Beispiel den Kosten der Unterkunft, weiter zu entlasten, es darf sich darin nicht erschöpfen. Vielmehr müssen vorhandene und durch Entlastungen entstehende neue Spielräume genutzt werden, um eine Trendwende bei den persönlichen Aufstiegschancen in unserer Stadt zu schaffen. Wir dürfen uns als Kommunalpolitiker nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern wir müssen anpacken.

 

Was ist also zu tun? Die Zukunft unserer Stadt sitzt in den Klassenzimmern. Die Schulbänke müssen zu Sprungbretter aus dem SGB-II-Bezug werden. Noch immer vererben sich soziale Schieflagen auf die nächste Generation. Armut klebt wie Pattex (oder Uhu) an den Füßen und die Probleme in den Stadtteilen manifestieren sich dadurch. Damit wir die Trendwende schaffen, müssen unsere Kinder die besten Zukunftschancen erhalten. Wir wollen Bochum auch unterhalb der Hochschulebene zur Bildungsstadt machen und fordern z.B. die Einrichtung einer Talentschule in Bochum.

 

Ein attraktives Wohnumfeld sorgt für eine soziale Durchmischung der Stadtteile. Wir bleiben der Motor für eine konsequente Stadtteilentwicklung, die unsere Stadt attraktiv und einzigartig macht.

 

Neben Bildung, sozialem Umfeld und Arbeit ist Eigentum eines der stärksten Bollwerke gegen Armut. Menschen, die Wohneigentum vererben, spannen ein eigenes Sicherheitsnetz für kommende Generationen. Familien mit Wohneigentum schlagen Wurzeln in unserer Stadt und ziehen nicht mal eben weg. Unser Vorstoß beim Handlungskonzept Wohnen, dass die Hälfte des neuzuschaffenden Wohnraums selbstgenutztes Eigentum sein soll, wurde von Ihnen abgelehnt. Wir werden aber nicht müde, das Thema zu betonen – denn soziale Mietwohnungen helfen im Hier und Jetzt, selbstgenutzter Wohneigentum hilft sogar noch in Jahrzehnten. 

 

Das sind unsere nachhaltigen Ideen, wie wir den anwachsenden Transferaufwendungen Herr werden können. Wenn wir diese nicht umgehend umsetzen, wird unser Spielraum im Haushalt immer weiter aufgefressen. Aus diesem Teufelskreis müssen wir ausbrechen. Und zwar schnellstmöglich.

 

Nach diesen überlebenswichtigen materiellen Stellschrauben möchte ich auch noch auf die formelle Konstruktion dieses Haushalts kommen. Nach langen Jahren soll es mal wieder einen Doppelhaushalt für Bochum geben. Das scheint eine gute Idee zu sein: Die neue Stadtkämmererin kann sich befreit von Haushaltsberatungen in ihre neue Aufgabe einarbeiten. Ein aufwendiges Beratungsverfahren fällt weg. Die Notwendigkeit einer Ratssitzung im Dezember besteht nicht. Doch letztendlich bedeutet der Doppelhaushalt etwas anderes: Der Opposition entzieht man eine Bühne für Kritik. Öffentliche Aufmerksamkeit für die schwierige Haushaltssituation fällt weg und die Kommunalpolitik wird ein Stück intransparenter.

 

Zudem sind Zweifel angebracht, wie verlässlich die Planungen für einen Doppelhaushalt sind. Schauen wir uns doch das aktuelle Haushaltsjahr noch mal genauer an. Um die 40 außer- und überplanmäßige Mittelbereitstellungen gab es 2017. Das Volumen lässt sich sehen, außerplanmäßige Finanzmittel, überplanmäßige Finanzmittel und Verpflichtungsermächtigungen summieren sich auf über 27 Millionen Euro auf. Das sind Änderungen, die allein in einem Jahr angefallen sind. Ein Doppelhaushalt hat das Potential, dass die Abweichungen noch größer sind. Nachsteuerungen wären dann notwendig, womöglich steht dann gar ein Nachtragshaushalt an. Diesen Unwägbarkeiten sollte man sich gar nicht erst aussetzen. Wir hatten daher bereits im Februar die Aufstellung eines Doppelhaushaltes abgelehnt.

 

Aufgrund des vielfachen Scheins, der nicht mit der Realität übereinkommt, aufgrund der steigenden Transferaufwendungen, denen nichts elementares entgegengesetzt wird, und wegen einer verfehlten Grundkonzeption wird die Fraktion "FDP & DIE STADTGESTALTER" den heute zur Abstimmung stehenden Haushalt ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.