Gudrun Kopp diskutiert mit Bochumer Liberalen über Entwicklungs- und Flüchtlingspolitik- ein Bericht von Léon Beck -
"Gebt uns keinen Fisch. Gebt uns auch keine Angel, damit wir fischen können. Fragt doch einfach erst mal, ob wir überhaupt Fisch mögen!" Mit diesem Zitat Dr. Aura Obamas, der Halbschwester des US-Amerikanischen Präsidenten, umriss Gastreferentin Gudrun Kopp, Parlamentarische Staatssekretärin a.D., beim Themenabend der FDP Bochum das grundlegende Problem vieler Ansätze in der globalen Entwicklungspolitik. Anhand dieses Zitates werde sehr bildlich deutlich gemacht, dass man ein Land – von außen allein – nicht entwickeln könne.
Insgesamt betrachtet, mache es laut Kopp viel mehr Sinn, die Entwicklungszusammenarbeit von den nationalen und kontinentalen auf eine internationale Ebene zu heben, um sie so zu stärken sowie vorhandene Kräfte und Mittel zu bündeln. Es sei "völlig utopisch und weltfremd" anzunehmen, man könne alle Probleme mit dem Einsatz finanzieller Mittel lösen. In diesem Zusammenhang kritisierte sie unterschwellig auch den aktuellen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller.
Stattdessen forderte sie eine konsequentere Korruptionsbekämpfung, Wissens- und Technologietransfers sowie eine kohärente Deutsche Politik. Dabei müsste das BMZ eng vernetzt mit dem Außenministerium, dem Wirtschafts-, Verteidigungs-, Gesundheits-, aber auch dem Landwirtschaftsressort zusammenarbeiten. Aus eigener Erfahrung als Kabinettsmitglied (2009-2013) weiß Gudrun Kopp, dass dies nicht der gelebten Praxis entspricht.
Mit den positiven Erfahrungen nach dem absolut notwendigen und entscheidenden Eingreifen französischer Truppen in Mali in Folge des Konfliktes mit den Tuareg von der Nationalen Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) begründete Kopp ihre Haltung, nach der in Einzelfällen auch Einsätze ohne UN-Mandat notwendig seien. Im selben Kontext sprach sie sich für eine Veränderung des UN-Vetorechts aus.
In der Agrarwirtschaft gäbe es gute Potenziale, die allerdings nur wenig genutzt würden. Von den 400.000.000 ha agrarwirtschaftlich nutzbarer Fläche würden nur zehn Prozent tatsächlich genutzt, was dazu führt, dass Afrika für ein Gesamtvolumen von 40 Mrd. US-$ thailändischen Reis importiere, obwohl es sich selbst versorgen könnte. Darüber hinaus schlug Kopp Zollfreiheit für Afrikanische Märkte vor.
Auch müsse das Hauptaugenmerk auf dem Auf- und Ausbau stabiler staatlicher Strukturen liegen, da man am Beispiel Libyens hervorragend beobachten könne, dass es starke Korrelationen zwischen dem fehlen staatlicher Strukturen und dem aktuellen Flüchtlingsproblem gäbe, auf das sie ebenfalls ausführlich zu sprechen kam.
So bekräftigte sie eingangs zunächst, dass Deutschland mindestens 200.000 Zuwanderer pro Jahr bräuchte und stellte gleichzeitig konkrete Maßnahmen vor, mit denen man den aktuellen Herausforderungen begegnen sollte. "Es ist ein inakzeptabel, dass Europa sich bisher nicht auf einen gerechten Verteilungsschlüssel einigen konnte. Wir können dieses Problem nur gemeinsam, nur europäisch lösen", machte Kopp deutlich. Es müsse möglich sein, Asylanträge deutlich schneller als bisher zu bearbeiten, insbesondere, wenn man dieser Tage von bloß 48 Stunden für diese Anträge in Norwegen liest. Um diesen Prozess zu beschleunigen, schlug die gelernte Dolmetscherin und Übersetzerin vor, manche Staaten des Westbalkans möglichst rasch zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Ohnehin läge die Anerkennungsquote für Flüchtlinge von dort bei unter einem Prozent, wohingegen diese Quote bei syrischen Flüchtlingen mehr als 95 Prozent betrüge.
Mit Blick darauf, dass viele Flüchtlinge zum Teil hochqualifiziert nach Deutschland kommen, verwies Gudrun Kopp auch auf ein aktuelles Konzept der FDP-Landtagsfraktion NRW, das unter anderem eine so genannte "Blue Card" und ein "Job Seeker"-Visum vorsieht. Nur durch eine frühzeitige Inklusion in den Arbeitsmarkt, verbunden mit frühzeitigen und ausreichenden Sprachkursen könne eine Integration insgesamt gelingen.
Man habe in Deutschland generell an zwei verschiedenen Fronten zu kämpfen: Während die Kommunen auf der einen Seite völlig überfordert schienen, gäbe es auf der anderen Seite eine gefährliche Menge an falschen Informationen und Propaganda über und gegen Flüchtlinge. Die Politik ist laut Kopp gefragt, Aufklärungsarbeit zu leisten. So wüssten viele Menschen in Deutschland nicht, dass es bereits heute 16 Millionen Bundesbürger mit Migrationshintergrund gibt oder dass Deutschland nur fünf bis neun, Schweden aber 24 Flüchtlinge auf 1.000 Einwohner aufnimmt. Daran gelte es gemeinsam zu arbeiten, so Kopp abschließend.